Kleine Ursachen große Wirkung
Warum werden die Gezeiten an den Ozeanen so auffällig aber im Mittelmeer schon
geringer und in Binnenseen praktisch unmerklich? Die Ursache dafür ist dass
die winzigen Gezeitenkräfte des Mondes auf die grossen Wassermassen eines Ozeans
gleichmäßig und andauernd wirken und die Ozeane frei diesen kleinen
Kräften folgen können. So gelingt es eine unmerkliche Kraft über
tausende Kilometer zu akkumulieren und eine Bewegung zu erzeugen die merkbar
wird wenn sie auf die Küsten trifft.
Auf einem Binnensee wird diese kleine regelmässige Bewegung zerstört bevor
sie zu merkbarer Größe anwachsen kann. Das geschieht durch andere Kräfte, wie
Wind, Strömungen, Boote, Fische, etc. die alle die Gezeiten dominieren. Ein
30km Binnensee zeigt alles andere außer den Gezeiten. Noch kleinere Systeme
sind noch weniger geeignet auf die Gezeiten zu reagieren weil die
konkurierenden Effekte dominieren.
Auch auf den Ozeanen dominiert oft die Windkraft, aber sie wirkt in der
Regel in wechselnde Richtungen. Wenn Sie aber einmal über längere Zeit in
die selbe Richtung wirkt kommt es zu den gefürchteten Sturmfluten.
Wie kleine Ursachen zu merkbaren Wirkungen führen können ist vielleicht
anhand des steten Tropfens der den Stein hölt gut zu sehen. Nur wenn der Stein
fest liegt und der Tropfen auf die selbe Stelle fällt entsteht das Loch.
Würde der Stein auch von anderen Kräften als jener des aufprallenden Tropfens
gestört, würde er etwa jeden Tag auch nur einen Millimeter verrutschen,
wäre er nicht auszuhöhlen.
Entstehung der Gezeiten auf der Erde
Die Gezeiten entstehen durch die Wirkung der Gravitationskräfte des Mondes
und der Sonne auf die Erde. Da jedoch die Distanz zwischen Erde und Mond viel
geringer ist als zwischen Erde und Sonne, sind die gezeitenerzeugenden Kräfte
des Mondes, obwohl er erheblich kleiner ist, mehr als doppelt so stark wie die
der Sonne.
Der Mond kreist in etwa 29,5 Tagen einmal um die Erde, die selbst wiederum um
die Sonne kreist.
Da die Entfernungen vom Mond zu Punkten auf der Erde von Ort zu Ort verschieden
sind, ist die Gravitationskraft des Mondes nicht überall gleich stark.
Die gezeitenerzeugenden Kräfte sind Differenzen zwischen Zentrifugalkraft
und Schwerkraft die beide auf den bewegten Erdkörper wirken. Die Bewegung
der Erde ergibt sich aus der Ballance dieser Kräfte,
die für den Erdkörper
im Mittel (Schwerpunkt) ausgeglichen sind. Verglichen mit der Zentrifugalkraft
besteht aber ein
geringer Überschuss an Gravitationskraft auf der dem Mond zugewandten Seite
der Erde und ein ebenso großer geringer Fehlbetrag auf der abgewandten Seite.
Diese Differenzen erzeugen jeweils einen Wasserberg auf der dem Mond
zugewandten und abgewandten Seite der Erde.
Zwischen zwei Hochwassern liegen etwa 12 Stunden und 25 Minuten.
Auch die Sonne erzeugt Gezeiten. Da sie aber viel weiter von der Erde
entfernt ist als der Mond, ist ihre gezeitenerzeugende Kraft nur etwa halb
so groß wie die des Mondes, und die entsprechenden Wasserberge sind weniger
stark ausgeprägt. Die Gezeiten werden also im wesentlichen vom Mond bestimmt.
Die Sonne verstärkt und verringert jedoch die Wirkung des Mondes auf die
Gezeiten. Die von Sonne und Mond erzeugten Gezeitenhöhen müssen addiert werden,
um die tatsächliche Höhe der Gezeit zu erhalten.
Wenn Sonne, Erde und Mond auf einer Geraden liegen, d.h. bei Neumond und
bei Vollmond, wirken Mond und Sonne gleichsinnig und erzeugen besonders
starke Gezeiten (Springtiden) deren Maximum etwa zwei Tage nach den
Extremphasen des Mondes liegt.
Klaudia Einhorn & Günther Wuchterl, Jänner 2003
Links:
Mondphasen - Studien widerlegen behauptete Mondeinflüsse
Mondphasen-Animation (Chris Dolan)
Gezeiten-Animation (James Irwin)